Der „schreckliche“ IM der Stasi und der „dienende“ V-Mann

Von Carl-Wolfgang Holzapfel

Berlin, 1.11.2014/cw- Carsten S., alias V-Mann „Piatto“ war kein gewöhnlicher Informant des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Immerhin war er 1995 zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Grund: Versuchter Mord an einem Nigerianer. Lapidar heißt es dazu in der Süddeutschen Zeitung vom 3o. Oktober 2014: „Im Gefängnis wurde er zu einem Informanten der Behörden und lieferte auch Hinweise auf die Mitglieder der Terrorzelle NSU.“
Seit seiner Enttarnung als „V-Mann“ vor rund vierzehn Jahren wurde der Neo-Nazi sogar im Zeugenschutzprogramm geführt, um ihn vor befürchteten Racheakten aus der Szene zu schützen. Das wirft jetzt, im Jahr 2014, Probleme auf, denn der mit neuer Identität ausgestattete einstige V-Mann soll im aktuellen NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht in München als Zeuge aussagen. Nach langem Hin und Her gab jetzt der zuständige Innenminister aus Brandenburg, Ralf Holzschuher (SPD), Grünes Licht. Das OLG hatte „ausreichende Sicherheitsmaßnahmen“ für den Neo-Nazi signalisiert.

Nun kennt jeder halbwegs gebildete Bundesbürger die verheerenden Geschichten, die sogen. IMs des einstigen DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) angerichtet haben. Die verpflichteten „Informellen Mitarbeiter (IM)“ verrieten nicht nur die eigenen Freunde an die Stasi, sie missbrauchten nicht nur das Vertrauen von Kollegen am Arbeitsplatz. Sie hatten vielfach auch keine Skrupel, die eigene Familie, den eigenen Ehepartner an ihre Auftraggeber zu verraten. Namen wie Vera Wollenberg, Ellen Thiemann (Ehemann) oder Tatjana Sterneberg (Kollegen) stehen neben vielen Synonymen als Beispiel für dieses zu Recht geächtete Verhalten. Gerade diese Vorgehensweise der Staatssicherheit gegen die tatsächlichen oder vermeintlichen Gegner des DDR-Staates trugen wesentlich zur Verachtung dieses MfS-Systems bei.

Nun fragen immer häufiger einstige Opfer dieses intriganten Spitzelsystems nach dem Unterschied zwischen einem IM der Stasi und einem V-Mann des Verfassungsschutzes. Immer häufiger ist die Feststellung zu hören, dass dies zwei Seiten einer Medaille seien. Denn auch die Stasi hatte die Gruppierungen, die sie mit IMs unterwanderte, als staatsgefährdend angesehen. Die Vereinigung 17. Juni in Berlin fordert gar, die bisherige Praxis ernsthaft auf den Prüfstand zu stellen und zumindest öffentlich und offen zu diskutieren. „Statt uns auschließlich auf Jubelfeiern zum 25. Jahrestag der Mauer-Öffnung zu beschränken, sollten wir auch heikle Themen auf die Tagesordnung setzen und uns ernsthaft der Frage stellen, ob die Übernahme ansonsten kritisierter Handlungsweisen der einstigen DDR und des MfS eines demokratischen Staates würdig sind,“ heißt es in einer Erklärung des Vorstandes. „Wenn wir keine Unterschiede in der angewandten  Praxis des Einsatzes ausmachen können, dann sollten wir mit moralisierenden Schuldzuweisungen zumindest in diesem Bereich äußerst vorsichtig agieren.“ Auch das wäre ein – allerdings ehrlicher – Beitrag zum Mauerfall-Jubiläum, meint der Verein. (886)

V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin, Tel.: 030-30207785

Veröffentlicht von redaktionhoheneckerbote

1944 im schlesischen Bad Landeck (heute Polen) geboren, in Berlin aufgewachsen. Erstes Interesse für Geschichte und Politik durch Ungarn-Aufstand 1956. 1958 Deutschlandpapier zur möglichen Lösung der "Deutschen Frage". Ab 1961 Gewaltloser Kampf gegen die (Berliner) Mauer. 1965 Verhftung durch DDR-Organe am Checkpoint Charlie nach Demo für die Freilassung politischer Gefangener in der DDR; 1966 Urteil in Ost-Berlin: 8 Jahre Zuchthaus; Oktober 1966 Freikauf. Bis 1989 weiterhin Demos an der Mauer in Berlin; am 13.08.1989 "Der Mann vom Checkpoint Charlie". Anfang der sechziger Jahre erste eigene Veröffentlichungen in Druck-Medien. Seit 2011 im Internet unter Redaktion Hohenecker Bote.

3 Kommentare zu „Der „schreckliche“ IM der Stasi und der „dienende“ V-Mann

  1. Ob IM oder V-Mann, eines möchte ich gleich dazu sagen, man liebt wohl den Verrat, aber nie den Verräter. Das traurige an der ganzen Sache ist doch, dass die Bundesrepublik die gleichen Fehler mit der Aufarbeitung der roten Diktatur macht, wie schon mit der braunen Diktatur, denn es sind doch alle EX-Staatsdiener der DDR-Diktatur in „Amt und Würden“geblieben. Sie wurden sogar noch belohnt mit der Übernahme der Dienstjahre in der SED- Diktatur. Wobei die Millionen von Zwangsarbeitern der roten Diktatur nur eine geschundene Gesundheit behalten durften. Die Bundesrepublik hätte wenigstens die Zwangsarbeit entschädigen müssen. … Die Frage bleibt aber trotzdem offen, wie viele IM sind als V-Mann übernommen worden. Wenn die Macht wieder vor dem Recht geht, dann kann ich nur feststellen, der schlimmste Feind im ganzen Land, dass ist und bleibt der Denunziant.

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  2. Die Informellen Mitarbeiter des MfS:
    Auch Eltern haben ihre Kinder verpfiffen und umgekehrt Kinder ihre Eltern.

    Wenn die Spitzel des MfS sich wenigstens an Tatsachen gehalten hätten, dann könnte man vergeben. Aber sie haben sich Schauermärchen aus ihren Fingern gesogen und ihre Opfer beklaut und betrogen.

    Nur aus Neid und Gier. Lohn oft nur ein Essen bei einem Treff mit dem Führungsoffizier im Restaurant „Bukarest“ oder „Sofia“, oder einem Eisbecher im Cafe „Moskau“ oder „Sybille“, wie es damals meine „beste“
    Freundin getan hatte.

    Ein V-Mann des Bundesverfassungsschutzes ist mit den IMs des MfS nicht
    vergleichbar.
    Der oben geschilderte V-Mann spitzelte für die Bundesbehörde seine Kameraden in einer umstrittenen Gruppierung aus.
    Wieweit er darüber hinaus auch andere Bürger bespitzelt hat, weiß man nicht.
    Da müßte man Einsicht in die eigenen Akten bekommen, die bei der Aufnahme in die Bundesrepublik Deutschland angelegt wurden.
    Und die Einsicht bekommt man nicht.

    Ob diese Bundesbehörde über jeden Bundesbürger eine Akte angelegt hat, wie das MfS über die DDR-Bürger, weiß man nicht. Ich denke eher nicht, da dies ein zu hoher Aufwand wäre.

    Ich halte solche Vergleiche, auch bei berechtigter Kritik, für falsch.

    Man vergleicht ja auch nicht Äpfel mit Birnen.

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  3. Liebe Kameraden,
    alte Sprichwörter helfen uns nicht, lieber Kamerad Köhler… Es hilft eben nur ein Forschungsantrag um Klarnamen zu erfahren, liebe Kameradin Edith.
    Ein Beispiel von mir:
    Der Vogel, der mir 1960 die zwei Jahre verpaßte, stammte aus Nordhausen. Ich mußte vom Kraftwerk III in Lübbenau zum KW I als Urlaubsvertretung im strengen Winter 1959/1960. Nun quatsche ich ja viel, frage woher und wohin etc. Seinen “ Spatzenschiß “ trug er ja nicht an der Arbeitsjacke, sagte mir aber, er sei in der Partei… Als der Urlaub beendet war und ich zum KW III zurückkam, erschienen am 1.2.1960 plötzlich zwei Herren von etwa 25/27 im Trenchkoat, einer mit, einer ohne Hut und verhörten mich im Eingangsgebäude. Das Übliche: Allen Tascheninhalt leeren u.s.w, kennt Ihr ja, handgeschriebenes Protokoll folgte, und die Fahrt ging mit dem EMW nach Cottbus-Spreestraße…

    Der Rest steht in meiner Biographie und in meinem Wälzer:
    „In den Fängen von NKWD und Stasi…“. Erzählen kann man schließlich viel. Es ist letztendlich eine Charakterfrage, ob man verpfiffen wird oder nicht.

    Zur Zwangsarbeit kann ich jetzt nicht auch noch etwas tippen weil es zu spät ist.

    Kameradschaftliche Grüße,
    Gustav Rust

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