Hoheneck/Stollberg, 30.07.2017/cw – Als die Stadt Stollberg die Anlage des ehemaligen und berüchtigten Frauenzuchthauses der DDR kaufte, schien sich ein unseliges Kapitel deutscher Geschichte einer würdigen Betrachtung zu öffnen. Seither hat sich in der einstigen historischen Burganlage sichtbar einiges getan: Die erste sehenswerte Attraktion ist unter dem Namen Phänomenia unlängst eröffnet worden, derzeit wird aktiv an Umbauten gearbeitet, um dem Jugendtheater ein neues Zuhause zu geben. Nicht zuletzt verzögert sich deswegen die Gestaltung der ebenfalls geplanten Gedenkstätte an die Leiden der etwa 10.000 Frauen, die zwischen 1945 und 1989 aus vornehmlich politischen Gründen dort inhaftiert, gefoltert und (auch) gestorben sind. Dass die Gedenkstätte, einst im Mittelpunkt der Planungen stehend, mittlerweile eher an den Rand der diversen Gestaltungen geraten zu sein scheint, stimmt nicht nur ehemalige Hoheneckerinnen, wie die einst dort aus politischen Gründen einsitzenden Frauen sich selbst bezeichnen, traurig. Aber der nicht abgeschlossene Umbau lässt eine endliche Bewertung noch nicht zu. So waren zum Beispiel die statischen Arbeiten, die eine Etablierung des Theaters notwendig machen und damit auch die Bauarbeiten für eine Gedenkstätte verzögerten, nicht absehbar.
Umgang mit der Vergangenheit
Unter einem anderen Aspekt erfährt der Umgang mit der Vergangenheit in Hoheneck allerdings teils harsche Kritik. Nachdem die Stadt das Umfeld der Burganlage verkauft hatte, wurden bei Bauarbeiten auf dem nunmehrigen Erschließungsgelände östlich von der Burg vor einiger Zeit menschliche Knochen gefunden. Sie stammten wahrscheinlich von einem längst aufgelassenen Friedhof, der um 1865 eigens für verstorbene Insassen der Haftanstalt Hoheneck angelegt worden war. Nach der Ortschronik wurde dieser Friedhof allerdings um 1950 bereits aufgelassen und auf dem Gelände um die siebziger Jahre Garagen errichtet. Ob auf diese Friedhof-Stillegung der Fund von Urnen auf dem Boden des späteren Frauenzuchthauses zurückzuführen ist, wurde ebenso wenig ergründet wie der tatsächliche Bestand einer Wasserzelle im Keller der DDR-Strafanstalt.
So kann es als geradezu zwangsläufig angesehen werden, dass die aufgefundenen Knochen ohne viele Umstände eingesammelt und – auf Empfehlung der Stadt – auf einem geöffneten Friedhof „in geweihter Erde“, so eine Stadtsprecherin, erneut beigesetzt wurden. Dieser Fund sterblicher Überreste einstiger Gefangener ist laut einem Bericht der Freien Presse, Ausgabe Stollberg, vom vergangenen Freitag noch immer Gesprächsthema im Ortsteil. Die bekannte Autorin und ehemalige Hoheneckerin, Ellen Thiemann („Wo sind die Toten von Hoheneck?“, Herbig München, 2014, ISBN 10: 3776627506) äußert in der Freien Presse denn auch Kritik: „Dieser Fund hätte in die Hände von Experten gehört. Bei den heutigen Möglichkeiten wäre es ein Leichtes gewesen, ziemlich exakt zu bestimmen, aus welcher Zeit die Gebeine stammen.“ Die einfache Bestattung sei „so nicht in Ordnung.“ Thiemann merkte gegenüber der Zeitung zu Recht an, dass aus ihrer Sicht „nur die Staatsanwaltschaft auf einem Privatgrundstück zufällig gefundene Menschenknochen zur Bestattung freigeben“ könne.
Auch um die Toten von Biederitz unterließ man Nachforschungen
Auch Tatjana Sterneberg, wie Thiemann ehemalige Hoheneckerin (1974-1976) und ehemalige stv. Vorsitzende des gleichnamigen Frauenkreises kritisiert ebenfalls den Umgang mit den Knochenfunden: „Hier wird deutlich, dass es in unserem Staat Tote mit unterschiedlicher Klassifizierung zu geben scheint. Handelt es sich um wahrscheinliche Tote aus den zwölf furchtbaren Jahren der NS-Zeit, wird verantwortungsvoll Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um historische Forschungen nach deren Leben und Sterben in Gang zu setzen. Handelt es sich um Tote aus (vermutlich) der Zeit des Kommunismus, so ist das nicht gravierend genug. Nachforschungen? Uninteressant, weil ja ohnehin bekannt ist, dass der Kommunismus unzählige Tote verursacht hat. Die Toten von Hoheneck sind in diesem Sinn im Bewusstsein der für geschichtliche Aufarbeitung Verantwortlichen offenbar ebenfalls Tote dritter Klasse.“ Sterneberg, die dem Vorstand der Vereinigung 17. Juni in Berlin angehört, erinnert das an die Knochenfunde in dem Wald bei Biederitz (Magdeburg) Anfang der neunziger Jahre. „Auch hier wurde dem begründeten Verdacht nicht nachgegangen, dass es sich um die Überreste von Rotarmisten handeln könnte, die nach verbreiteter Legende dort standrechtlich erschossen worden sein sollen. Sie sollen sich geweigert haben, am 17. Juni 1953 auf Arbeiter zu schießen.“
V.i.S.d.P.: Redaktion Hoheneck, Berlin – Tel.: 030-30207785 (1.265).
Soweit ich dem Artikel der „Freie Presse“ vom 30.07.2017 entnehmen konnte, wurde dieser Gottesacker bis ca. 1950 benutzt. Es ist somit nicht auszuschließen, dass Morde oder Gewalttaten vor nicht all zu langer Zeit geschehen sind. Mord verjährt aber nun mal nicht, Massenmord auch nicht. Als Nichtjurist ist es mir allerdings dennoch unverständlich weshalb an dieser Stelle nicht ermittelt wird. Zitat „Freie Presse“ vom 30.07.2017 mit der Überschrift Menschenknochen von Hoheneck: Identität für immer vergraben? „… Wir gehen daher davon aus, dass gerade die Umbettung auch im Sinne der Verstorbenen erfolgt ist.“ Diese Aussage wäre im Sinne von § 258 Absatz (6) StGB. Haben die Verantwortlichen dies tatsächlich mit den Angehörigen der (ALLER) Toten so abgesprochen? Dann wäre allerdings alles in Ordnung. Dies konnte ich leider den vorliegenden Artikeln nicht entnehmen. Lt. Gesetz ist bereits die Nichtanzeige bei Mitwisserschaft hinsichtlich offenkundiger oder tatsächlicher vernommener Straftaten strafbar. Daher bitte ich die Redaktion des „17.Juni“ um Nachricht darüber, dass meine Bedenken völlig unbegründet sind.
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